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Die Jahre ab 1945

Die Stadt Hoyerswerda und die Johanneskirche waren ein Idyll zu nennen, wie es sich heute noch auf alten Postkarten und in den Erinnerungen der Älteren spiegelt. Umso grausamer waren die Wunden, die der Krieg den Menschen, der Stadt, den umliegenden Dörfern und auch der Kirche geschlagen hat. Luftangriffe erfolgten im April 1945 auf die Stadt, und sie gerät in den Vormarschbereich der Roten Armee. Bei den Bombenangriffen gab es zahlreiche Tote in der Stadt. Dennoch sind die authentischen Notizen über die Zerstörung von Kirche und Stadt spärlich.


Auszug aus dem Tagebuch von Helga Müller (Schwiegertochter von Pfarrer Fritz Müller):
Pfarrer Fritz Müller, der am 15. April zum letzten Mal in der Hoyerswerdaer Pfarrkirche predigte, notiert in seinem Kalender: "Montag, 16. April, gegen 7:00 Uhr früh Feindalarm. Große Aufregung, Sachen neu gepackt." Noch einmal Pfarrer Müllers Kalendernotiz: "Mittwoch, 18.4., 16:00 bis 17:00 Uhr, Bombenangriff vom Russen. Bombentrichter im Garten, am Turm, Frau Schäfer und Tochter tot. Nach 19:00 Uhr geflüchtet nach Saxonia. Donnerstag, 19.4., 16:00 Uhr weitergeflüchtet nach Lindenau, mit NSKK-Treck." Was hinter diesen Stichpunkten steckt, kann heute kaum einer nachempfinden. Im Nachbarshaus des Müllerschen Pfarrhauses, der Superintendentur hatten Bomben die Frau des Superintendenten Schäfer und seine Tochter Annelies getötet. Auch bei anderen Einschlägen - wie gegenüber dem Krankenhaus bei Rauers in der heutigen Frentzelstraße - gab es Tote. Und der Pfarrer muss mit allen Hoyerswerdaern dem Evakuierungsbefehl gehorchend die Stadt verlassen. Das war noch am Abend des 18. April. Nach der Erinnerung der Flüchtenden war die Johanneskirche an diesem Tag fast noch unzerstört. Sie ist erst am darauffolgenden Tag durch Artilleriebeschuss in Brand geraten und samt dem vollständigen Inventar (Empore, Kanzel, Altar, Taufstein, Epitaphien, Gemälde und Innungsscheiben) bis auf die Grundmauern zerstört worden!

So hatte die Kirchengemeinde 1945 keine Kirche, kein Pfarrhaus und auch sonst keinen Raum. Als erstes wurde der Schaden an der Kreuzkirche behoben, weil er am geringsten war. Hier fanden dann zunächst die Gottesdienste, Christenlehre und alle sonstigen Veranstaltungen statt. Im Jahr 1947 erfolgte der Einbau einer über die Kriegszeit hinaus geretteten Orgel der Firma Eule aus Bautzen. Am 6. Januar 1948 erklang zum ersten Mal die Königin der Instrumente in der Kreuzkirche.

1947: Errichtung des "Lutherhauses"
Im Jahre 1947 wurde auf den Grundmauern der Superintendentur das Schwedenhaus errichtet, das den Namen "Lutherhaus" erhielt. Es ist eine Otto Bartning Notkirche und befindet sich schräg gegenüber der Johanneskirche. Nun konnten die Veranstaltungen im Lutherhaus abgehalten werden. Das nebenliegende Pfarrhaus wurde von 1955 - 1958 wieder aufgebaut.
Die anschließende Wohnungszuweisung im Pfarrhaus erwies sich auf Grund der Wohnungsnot sowie des Handelns der sozialistischen Staatsorgane in Bezug auf kirchliche Gegebenheiten als sehr schwierig.

1951: Sicherung des Kirchturms
Der Wiederaufbau der Johanneskirche fand in mehreren Etappen statt. Zuerst mussten der Schutt, die Trümmer und die hauptsächlichen Zerstörungen wie überall in der Stadt, so auch in der Kirche geräumt werden. Am 23. Oktober 1951 genehmigte der damalige Rat des Kreises den Wiederaufbau des Kirchturmes. Der Turmstumpf wurde gesichert und mit einem Notdach sowie einem Kreuz versehen. Es mag ein Zeichen der Ermutigung und der Kontinuität gewesen sein, dass schon am 22. März 1952 die Bronzeglocke aufgezogen werden konnte, die schon vor dem Kriege ein Teil des Geläutes bildete. Sie war während des Krieges abgenommen und nach Hamburg zum Einschmelzen gebracht worden, von dort aber unversehrt zurück gekommen.

24. Oktober 1953: Richtfest der Dachkonstruktion
Den wesentlichen zweiten Schritt nach vorn bedeutete der Aufbau des Dachstuhls über der Kirche. Das Richtfest fand am 24. Oktober 1953 statt. Der zeitgenössische Bericht von Pfarrer Tschernik spricht davon, wie z. B. das Holz für die Dachkonstruktion von den Dörfern (vor allem Spohla, Seidewinkel, Bergen und Bröthen) eingeschlagen und bereitgestellt wurde. Zur Sicherstellung der Finanzierung leistete auch die Regierung der damaligen DDR einen erheblichen finanziellen Beitrag. Vor allem war es der tatkräftige freiwillige Arbeitseinsatz der Gemeindeglieder, das zähe Festhalten des Gemeindekirchenrates am Wiederaufbau und der Einsatz der Firma Grundmann, die alle zusammen die Aufbauleistung getragen haben. Pfarrer Tschernik dankte in seiner Ansprache für die Bewahrung der Bauleute vor Unfall und bestärkte die Gemeinde erneut in ihrem Vertrauen auf die Barmherzigkeit Gottes.

Der von Pfarrer Otto Kasper am 5. März 1953 neugegründete Posaunenchor begleitete die Dankeslieder der zahlreich versammelten Gemeinde. Superintendent König weihte die zurückgekehrte Glocke erneut ein, die, so wie früher vor dem Krieg, ihren Ruf "Land, Land, Land, höre des Herrn Wort" erneut über Kirche und Stadt erschallen ließ, geläutet von einem Zimmermann, der früher als Läutejunge oft auf den Turm gestiegen war.

3. Juli 1955 Posaunenfest in der Kirche
Nach dem Richtfest konnte im Frühjahr 1954 das Dach gedeckt werden. Im Dezember 1954 wurde mit dem Innenausbau der Kirche begonnen und der Innenputz fertiggestellt. Auch der erste Gottesdienst konnte dann schon am 3. Juli 1955 im Rahmen des Bezirksposaunenfestes in der Kirche gefeiert werden, nachdem der Innenputz des Kirchenschiffes beendet war. Alle verfügbaren Bänke und Stühle wurden in die Kirche gestellt. 800 Gemeindeglieder waren zum Gottesdienst versammelt, in dem Bischof D. Hornig die Predigt hielt. Posaunen und Choräle erschollen aus der Kirche durch die noch nicht verglasten Fenster nach außen, wie es ein zeitgenössischer Bericht vermerkt.

Erntedanksonntag 1957: Kirchweihfest der Johanneskirche
Von 1955 an wurde das Innere der Kirche wieder aufgebaut. Zum Erntedankfest am 6. Oktober 1957 schließlich konnte sie durch Bischof D. Hornig eingeweiht werden. Der Gemeindekirchenrat beschloss, ihr den heutigen Namen "Johanneskirche" zu geben in Erinnerung an den Johannestag, den 24. Juni, 1540, an welchem durch die erste evangelische Predigt, gehalten von dem ehemaligen Mönch Basilius Laurentius, die Reformation in Hoyerswerda eingeführt wurde.

Abriss des alten Kriegerdenkmals 1964
An der Kirchstraße links von der Johanneskirche stand ein altes Kriegerdenkmal für die Gefallenen aus den Kriegen 1866, 1870 und 1871. Dieses Denkmal war durch den Krieg sehr beschädigt worden, so dass die Stadt sich an den Gemeindekirchenrat wandte mit der Bitte, das Denkmal zu beseitigen. Der GKR entschloss sich dazu, aber mit der Auflage, dass die Stadt selbst den Abbruch ausführt. Dies ist im Sommer 1964 geschehen. Gemeindeglieder hatten behauptet, dass im Sockel des Denkmals alte Münzen oder Dokumente eingemauert seien. Dies stellte sich jedoch als Irrtum heraus. Nach der Inschrift müsste das Denkmal 1875 errichtet worden sein.

22. Juni 1984: Neubekrönung des Kirchturmes
Nach der Kirchweihe im Oktober 1957 gingen noch viele Jahre ins Land, bis ein Wiederaufbau der Kirchturmspitze möglich wurde. Jedoch war an eine Finanzierung mit einheimischer Währung nicht mehr zu denken, da aufgrund mangelnder Baukapazitäten in der DDR nur noch volkswirtschaftlich und kulturpolitisch bedeutsame Bauten durchgeführt werden können, und dazu zählt in einem atheistischen Staat eine Kirche nicht. Vor allem Oberkonsistorialrat Völz aus Görlitz ist es zu danken, dass diese Baumaßnahme in das kirchliche Sonderbauprogramm aufgenommen wurde und damit finanziert werden konnte. Der Gemeindekirchenrat fasste, entgegen der Hoffnung der älteren Gemeindeglieder den nicht leichten Entschluss, die neue Turmspitze nicht in Anlehnung an die 1945 zerstörte, sondern an die alte, bis 1850 bestandene Form zu gestalten. Die Herstellung der Kugel und des Kreuzes lagen bei der Neuen Form Seidewinkel. Der Turm wurde neu eingerüstet und musste teilweise rückgebaut und neues Mauerwerk errichtet werden.

Der Kirchturm der Johanneskirche mit welscher Haube ist jetzt 55 Meter hoch im Gegensatz zu den 70 Metern des alten Turmes. Das Richtfest für die Turmspitze wurde am 22. Juni 1984 gefeiert. Pfarrer Thomas Juergensohn stellte die damaligen Dankesworte unter den gleichen Bibelspruch, mit welchem der Pastor Primarius Kubitz am 19. Oktober 1850 seine Predigt anlässlich des Festes der damaligen Turmbekrönung schloss: "Ehre sei Gott in der Höhe." (Lukas 2, 14) Mit der Neubekrönung des Kirchturmes wurden die Aufbauarbeiten der Johanneskirche abgeschlossen. Nach der Sanierung des Turmes kam die heutige Turmuhr mit drei Ziffernblätter hinzu. Gekoppelt mit den Glocken ertönte seitdem der Stundenschlag. Nach der Wende 1989, als eine Überspannung infolge Blitzschlags die gesamte Anlage lahm legte, wurde der Viertelstundenschlag eingeführt.

1994: Gründung des Kirchbauvereins
Zur Durchführung der noch anstehenden Bauvorhaben (Sakristei und Loge) wurde 1994 der Kirchbauverein der Johanneskirche gegründet, der den weiteren Ausbau der Johanneskirche tätig voranbringen möchte. Bei dessen Gründung, gingen doch einige unserer jetzigen Mitglieder mit gemischten Gefühlen an diese Aufgabe heran. Wie kann Kirche mit dem Begriff "Verein" in Einklang gebracht werden? Im Zuge der Neu- oder Andersgestaltung unseres Gesellschaftssystems nach der Wiedervereinigung stellte sich auch für uns die Frage, wie wollen und können wir uns für den Erhalt und die Erneuerung unserer Stadtkirche unter diesen neuen Gegebenheiten einsetzen? Über das Warum wurde eigentlich nicht nachgedacht. Die Johanneskirche ist nicht nur ein Gebäude, das als Wahrzeichen der Stadt Hoyerswerda weithin zu sehen ist, sondern sie ist auch ein Bindeglied zwischen den Jahrhunderten der Stadtgeschichte und den vielen Generationen, die hier Gottesdienst feierten und feiern.

Bei dem "Wie" halfen uns andere Kirchbauvereine, die sich mit den Aufgaben und Möglichkeiten eines Kirchbauvereins bereits vertraut gemacht hatten. Hier sei besonders auch an den damaligen Vikar Christoph Wiesener gedacht, der die Gründung unseres Vereins am 24. Juni 1994 maßgeblich mit vorangetrieben hat. Bis heute zählt der Verein 40 Mitglieder. Ziel des Vereins ist insbesondere die Förderung kultureller Zwecke, speziell die Pflege und Erhaltung von Kulturwerten im Sinne der Denkmalpflege. Dieser Zweck wird unter anderem verwirklicht durch die Restaurierung und Unterhaltung der Johanneskirche und des dazugehörenden Umfeldes. Herausragende Aktivitäten waren bisher u. a. die Neugestaltung und Einrichtung des Raums der historischen Bibliothek der Johanneskirchengemeinde und die Gestaltung des Geländes um die Johanneskirche. Neben der dringenden Restaurierung der Sakristei und auch der alten Herrschaftsloge ist unser ehrgeizigstes Ziel die Begehbarmachung des Kirchturmes. Dies bedeutet vor allen Dingen eine neue Treppenanlage, welche sehr planungs- und kostenintensiv ist. Auch ein Außenumgang, wie er an dem Turm bis 1945 zu sehen war, bleibt im Gespräch. Diese großen Ziele können nur mit vielen Spenden und Fördermitteln erreicht werden.

Die Teilung der Kirchengemeinde
Zur Kirchengemeinde Hoyerswerda gehörte seit alters her die Kleinstadt Wittichenau, die als Besitz des Klosters Marienstern in der Reformationszeit nicht evangelisch geworden war. Erst seit 1920 konnte in Wittichenau von unserer Evangelischen Gemeinde ein Grundstück erworben und eine Kirche mit einem kleinen Gemeindehaus erbaut werden. Hoyerswerda war ständiger Sitz eines Pfarrvikars, dessen Aufgabe es war, Wittichenau pfarramtlich zu betreuen.

Mit dem Jahre 1955 begann dann der Aufbau des Kombinats Schwarze Pumpe. Hoyerswerda sollte Wohnstadt der Arbeiter für Schwarze Pumpe werden. Es begannen der Ausbau von Hoyerswerda und der Aufbau der Neustadt jenseits der Schwarzen Elster. Die Neustadt nahm dann solche Ausmaße an, dass mit dem 1.1.1966 Hoyerswerda-Neustadt zur selbständigen Gemeinde gemacht wurde. Dabei wurde auch Wittichenau als evangelische Diaspora-Gemeinde zur selbständigen Kirchengemeinde erhoben und ihr neben der Stadt Wittichenau die Dörfer Spohla, Sollschwitz, Saalau, Dubring, Keula, Brischko, Hoske, Kotten und Neudorf zugeteilt. Das Gemeindehaus konnte in ein Pfarrhaus umgebaut, ein neues Gebäude erworben und zum Gemeindehaus umgebaut werden.

Zum Umfang der jetzigen Johanneskirchengemeinde Hoyerswerda Altstadt zählen folgende Dörfer:
Nardt, Neuwiese, Bergen, Seidewinkel, Burg, Riegel, Zeißig, Neida, Dörgenhausen, Michalken und Bröthen.